Leerstand ist kein einfaches Problem, das sich mit einem neuen Mieter lösen lässt. In vielen Immobilienportfolios ist er ein Frühwarnsignal für tiefere strukturelle Schwächen - und wer ihn ignoriert, verliert nicht nur Mieteinnahmen, sondern auch langfristig den Wert der Immobilie. In Deutschland steigt der strukturelle Leerstand seit 2020 kontinuierlich, besonders in Regionen mit abnehmender Bevölkerung oder veralteter Infrastruktur. Einige Städte erreichen Leerstandsquoten von über 12 Prozent, während andere Gebiete mit unter 3 Prozent glücklich sind. Doch die Zahl allein sagt wenig aus. Was zählt, ist, wann und warum eine Wohnung leer bleibt.
Was macht eine gute Leerstandsanalyse aus?
Eine echte Leerstandsanalyse geht weit über die einfache Zählung leerer Wohnungen hinaus. Sie untersucht, warum diese leer sind. Dafür braucht man drei Säulen: Standort, Zielgruppe und Konkurrenz. Der Standort entscheidet zu 25 Prozent über die Vermietbarkeit - das zeigen Daten von Prof. Kofner (2014). Eine Immobilie in einer Gegend mit schlechter Busanbindung, fehlenden Schulen oder sinkenden Einkommen hat von vornherein ein höheres Risiko. Die Zielgruppenanalyse schaut genau hin: Wer könnte hier wohnen? Junge Familien? Senioren? Studenten? Wenn die Wohnung für Studenten gebaut wurde, aber die Nachbarschaft sich zu einer Wohngegend für Familien wandelt, dann passt das Konzept nicht mehr. Und die Konkurrenzanalyse vergleicht bis zu 15 Faktoren: Mietpreise, Ausstattung, Modernisierungsstand, Parkplatzangebot. Nur so weiß man, ob man zu teuer ist - oder ob die Wohnung einfach nicht attraktiv genug wirkt.Die fünf wichtigsten Frühwarnindikatoren
Nicht jede leere Wohnung ist ein Problem. Manche bleiben nur ein paar Wochen leer, weil der alte Mieter auszieht und der neue noch nicht eingezogen ist. Das ist normal. Aber es gibt Indikatoren, die rot leuchten - und die sollten Sie sofort überprüfen.- Leerstandsrate über 5 Prozent: Ab diesem Wert wird es kritisch. Bei 15 Prozent ist es ein Alarmzeichen, bei 40 Prozent ein strukturelles Problem.
- Leerstandsdauer länger als 2 Monate: Wenn eine Wohnung länger als 60 Tage unbesetzt bleibt, liegt ein Systemfehler vor - nicht ein Zufall.
- Mietsteigerung über 5 Prozent über dem Markt: Eine Erhöhung um mehr als 5 Prozent führt in der Praxis oft zu einer Verdopplung der Leerstandszeit. Das ist kein Marketing, das ist Selbstsabotage.
- Steigende Anzahl von Kündigungen: Wenn plötzlich drei oder vier Mieter in einem Quartal kündigen, ist das kein Zufall. Es ist ein Signal: Die Immobilie verliert an Attraktivität.
- Keine neuen Interessenten trotz aktiver Vermarktung: Wenn Sie drei Monate lang Anzeigen schalten, aber keine Anfragen bekommen, dann ist das Objekt nicht mehr marktgängig.
Diese Indikatoren werden in modernen Systemen automatisch überwacht. Einige Softwarelösungen warnen per E-Mail, sobald eine Wohnung länger als 60 Tage leer steht. Andere berechnen täglich, ob die Leerstandsquote im Portfolio steigt - und zeigen an, welche Immobilie als Nächstes gefährdet ist.
Warum reicht traditionelle Verwaltungssoftware nicht aus?
Viele Verwalter nutzen noch immer einfache Programme, die nur die Mietzahlungen erfassen. Sie wissen, wer gezahlt hat - aber nicht, warum jemand nicht zahlt oder warum eine Wohnung leer bleibt. Solche Systeme sind wie ein Thermometer, das nur die aktuelle Temperatur anzeigt, aber nicht vorhersagt, ob ein Sturm kommt. Moderne Analysen hingegen nutzen historische Daten, demografische Trends und Marktveränderungen, um zu berechnen, wo und wann Leerstand droht - bis zu sechs Monate im Voraus. Studien zeigen, dass diese proaktiven Systeme bis zu 78 Prozent genau vorhersagen, wo das nächste Problem auftritt. Traditionelle Methoden kommen auf gerade mal 65 Prozent. Das ist kein kleiner Unterschied - das ist der Unterschied zwischen Verlust und Gewinn.
Was passiert, wenn Sie nichts tun?
Ein leerstehendes Gebäude verliert nicht nur Miete. Es verliert auch Wert. Banken und Investoren bewerten Immobilien mit der DCF-Methode - Discounted Cash Flow. Das bedeutet: Jeder Monat Leerstand wird als verlorener Cashflow abgezogen. Und je länger die Wohnung leer bleibt, desto höher ist der Abzug. Eine Immobilie mit einer Leerstandsquote von 10 Prozent und einer durchschnittlichen Dauer von 3 Monaten kann bis zu 22 Prozent weniger wert sein als eine vergleichbare Immobilie mit nur 3 Prozent Leerstand. Das ist kein theoretisches Risiko - das ist ein realer Wertverlust, den Sie nicht mehr zurückholen können. Und wenn die Immobilie dann erst einmal als „schwierig zu vermieten“ gilt, sinkt das Interesse weiter. Es wird zur Last - nicht zur Investition.Was funktioniert in der Praxis?
Erfolgreiche Portfoliobesitzer handeln, bevor es zu spät ist. Ein Beispiel: Ein Investor in Köln hatte 12 Prozent Leerstand in einem Wohnblock aus den 80er Jahren. Statt die Mieten zu erhöhen, hat er die Wohnung mit moderner Isolierung, neuen Fenstern und einem gemeinschaftlichen Garten ausgestattet. Dann hat er die Zielgruppe gewechselt: statt Studenten, jetzt junge Familien. Die Miete blieb gleich - aber die Vermietungszeit fiel von 4,2 auf 2,7 Monate. Ein weiterer Ansatz: Zwischennutzung. Pop-up-Stores, Co-Working-Spaces oder künstlerische Projekte in leerstehenden Gewerberäumen bringen nicht nur kurzfristig Einnahmen - sie halten die Immobilie lebendig. Das erhöht die Attraktivität für zukünftige Mieter. Einige Immobilienverwalter berichten, dass diese Zwischennutzungen bis zu 20 Prozent der verlorenen Miete kompensieren.Wie fangen Sie an?
Sie brauchen keine teure Software oder einen externen Berater - aber Sie brauchen Struktur.- Sammlen Sie die Daten: Notieren Sie für jede Immobilie: Leerstandsquote, Leerstandsdauer, letzte Mietsteigerung, Kündigungen im letzten Jahr, Renovierungsstand, Nachbarschaftsentwicklung.
- Setzen Sie Grenzwerte: Definieren Sie: Ab welcher Leerstandsquote oder Dauer greifen Sie ein? 15 Prozent? 2 Monate? Machen Sie das schriftlich.
- Analysieren Sie den Standort: Gehen Sie selbst in die Nachbarschaft. Wie viele Geschäfte gibt es? Wie viele neue Wohnungen werden gebaut? Steigen die Mieten in der Gegend oder sinken sie?
- Prüfen Sie die Konkurrenz: Suchen Sie drei vergleichbare Wohnungen in der Umgebung. Wie hoch ist ihre Miete? Wie gut sind sie ausgestattet? Was machen sie besser als Sie?
- Handeln Sie früh: Wenn eine Wohnung länger als 60 Tage leer ist, ändern Sie die Vermarktung - nicht die Miete. Testen Sie neue Fotos, neue Beschreibungen, neue Plattformen.
Die meisten Verwalter warten, bis die Miete ausfällt. Das ist zu spät. Die besten Entscheidungen treffen Sie, bevor der Mieter ausgezogen ist - nicht danach.
Die Zukunft: Digitalisierung und Nachhaltigkeit
Die Branche verändert sich. Seit 2022 steigt die Nutzung von KI zur Vorhersage von Leerstandsrisiken um 35 Prozent pro Jahr. Systeme kombinieren jetzt historische Daten mit Echtzeitinformationen - etwa aus Verkehrsdaten, Arbeitsmarktzahlen oder sogar Wetterprognosen. Und ab 2026 werden 92 Prozent der öffentlichen Immobilienportfolios in Deutschland verpflichtet sein, Nachhaltigkeitskriterien in ihre Analysen einzubeziehen. Das bedeutet: Nicht nur die Lage zählt, sondern auch die Energieeffizienz, die Barrierefreiheit, die Nutzung von erneuerbaren Energien. Wer das nicht berücksichtigt, wird in Zukunft keine Mieter mehr finden - und keine Finanzierung mehr bekommen.Was kostet eine professionelle Analyse?
Sie müssen nicht alles selbst machen. Professionelle Dienstleister berechnen zwischen 0,8 und 1,2 Prozent des jährlichen Mietvolumens. Das klingt viel - aber wenn Sie damit 30 Prozent der potenziellen Ertragsausfälle verhindern, wie die GDW-Studie aus 2015 zeigt, dann ist es eine Investition mit hoher Rendite. Ein Portfolio mit 500.000 Euro Mieteinnahmen pro Jahr kostet etwa 4.000 bis 6.000 Euro pro Jahr für die Analyse. Wenn Sie dadurch 150.000 Euro an Miete vermeiden, die sonst verloren ginge, ist die Rechnung klar.Warum viele scheitern
Die größte Hürde ist nicht die Technik - es ist die Einstellung. 68 Prozent der Verwalter in einer GDW-Studie sagten, sie hätten keine ausreichenden Daten. 52 Prozent haben die Frühwarnindikatoren nicht in ihre Software integriert. Sie warten auf ein Problem, statt es vorherzusehen. Ein Immobilienverwalter schrieb auf Reddit: „Erst nachdem wir ein automatisiertes System mit Echtzeit-Benachrichtigungen eingeführt hatten, konnten wir die Leerstandsrate von 12 auf 4,5 Prozent senken.“ Das ist kein Zufall. Das ist Systemarbeit.Leerstand ist kein unvermeidliches Risiko. Er ist ein messbares, analysierbares und beherrschbares Phänomen. Wer früh erkennt, wo das Problem liegt, kann handeln - und damit den Wert seines Portfolios schützen, nicht verlieren.
Was ist der Unterschied zwischen temporärem und strukturellem Leerstand?
Temporärer Leerstand ist kurzfristig und normal - etwa zwischen zwei Mietwechseln. Struktureller Leerstand entsteht, weil die Immobilie nicht mehr zum Markt passt: falsche Lage, veraltete Ausstattung, falsche Zielgruppe. Er bleibt bestehen, auch wenn man die Miete senkt oder besser wirbt. Nur struktureller Leerstand erfordert tiefgreifende Maßnahmen wie Modernisierung oder Konzeptwechsel.
Wie oft sollte ich eine Leerstandsanalyse durchführen?
Mindestens einmal pro Quartal. In dynamischen Märkten oder bei größeren Portfolios empfiehlt sich eine monatliche Überprüfung der Frühwarnindikatoren. Die Daten müssen aktuell sein - sonst sind die Warnungen nutzlos. Einmal jährlich reicht nicht.
Kann ich Leerstandsanalysen mit Excel machen?
Ja - aber nur für kleine Portfolios mit weniger als 20 Wohnungen. Excel ist manuell, fehleranfällig und bietet keine Echtzeitwarnungen. Für größere Portfolios oder wenn Sie proaktiv handeln wollen, brauchen Sie spezialisierte Software, die Daten automatisch auswertet und Trends erkennt.
Warum steigt der Leerstand in bestimmten Regionen?
Drei Hauptgründe: 1) Bevölkerungsrückgang, besonders in ländlichen Gebieten; 2) Veränderung der Arbeitswelt - weniger Menschen brauchen eine Wohnung in der Innenstadt; 3) Mangelnde Modernisierung. Immobilien, die nicht an die neuen Bedürfnisse angepasst werden (z. B. Barrierefreiheit, Homeoffice, Energieeffizienz), verlieren an Attraktivität - und bleiben leer.
Was kostet eine Modernisierung, um Leerstand zu reduzieren?
Es gibt keine Pauschale. Eine einfache Sanierung mit neuen Fenstern und Isolierung kostet 15.000-25.000 Euro pro Wohnung. Eine komplette Modernisierung inklusive Aufzug und barrierefreiem Bad kann 50.000 Euro und mehr kosten. Aber: Eine Wohnung, die nach der Sanierung 100 Euro mehr Miete bringt, amortisiert die Kosten in 5-7 Jahren - und reduziert den Leerstand gleichzeitig. Die Investition lohnt sich oft schneller, als man denkt.
Wie erkenne ich, ob ich zu viel Miete verlange?
Vergleichen Sie Ihre Miete mit mindestens drei ähnlichen Wohnungen in der gleichen Straße oder Nachbarschaft. Achten Sie auf Ausstattung, Alter, Zustand und Lage. Wenn Ihre Wohnung besser ist, aber trotzdem länger als 60 Tage leer bleibt, ist die Miete zu hoch. Wenn sie schlechter ist und trotzdem vermietet wird, ist Ihre Miete zu niedrig. Der Markt entscheidet - nicht Ihre Hoffnung.
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