Stellen Sie sich vor, Sie finden genau die Immobilie, die Sie schon lange gesucht haben - eine Wohnung in der Innenstadt, ein Haus mit Garten, ein modernes Dachgeschoss. Sie rufen den Makler an, machen eine Besichtigung, und dann kommt die Nachricht: Bieterverfahren. Keine Verhandlung, kein Telefonat, keine unsicheren Angebote. Stattdessen: ein klarer Termin, ein Formular, ein Gebot. Was jetzt kommt, ist kein Verkauf wie früher. Es ist ein Wettkampf. Und wenn Sie nicht wissen, wie er funktioniert, verlieren Sie - oft ohne zu verstehen, warum.
Was ist ein Bieterverfahren bei Immobilien?
Ein Bieterverfahren ist kein Versteigerungssaal mit Hammer und Ruf. Es ist ein strukturiertes, schriftliches Verfahren, bei dem mehrere Interessenten innerhalb einer festgelegten Frist ein anonymes, schriftliches Kaufangebot abgeben. Der Verkäufer wertet alle Angebote aus und wählt das beste aus - nicht unbedingt das höchste. Das Verfahren ist seit Jahren in Deutschland etabliert, besonders in Ballungsräumen wie München, Berlin oder Frankfurt. Laut ImmobilienScout24 nutzen 68 % der Makler in diesen Regionen das Bieterverfahren, wenn die Nachfrage hoch ist.
Warum? Weil es schnell funktioniert. Statt Wochen oder Monate auf einen Käufer zu warten, läuft der Verkauf in drei bis sechs Wochen ab. Der Verkäufer bekommt einen klaren Preis, der oft über dem Schätzwert liegt. In München wurde 2023 eine Immobilie mit einem Schätzwert von 1,1 Millionen Euro für 1,25 Millionen Euro verkauft - ein Aufschlag von 13,6 %. Das ist kein Einzelfall.
Als Käufer haben Sie keinen direkten Kontakt zu anderen Interessenten. Sie wissen nicht, wer mitbietet. Sie sehen keine Gebote. Alles läuft anonym. Das ist absichtlich: Es soll Fairness schaffen. Aber es schafft auch Unsicherheit. Werden Sie überrumpelt? Was ist ein fairer Preis? Und was passiert, wenn Sie das höchste Gebot abgeben - und trotzdem keinen Zuschlag bekommen?
Wie läuft ein Bieterverfahren ab? Der sechsschrittige Ablauf
Der Ablauf ist standardisiert - und das ist gut. Wenn Sie wissen, was kommt, können Sie sich darauf vorbereiten. Hier ist, wie es wirklich funktioniert:
- Ankündigung: Der Makler oder Verkäufer veröffentlicht ein Inserat, das explizit sagt: „Bieterverfahren“. Da steht nicht nur die Adresse, sondern auch die Frist für die Angebotsabgabe, der Termin für die Besichtigung und oft ein Schätzwert. Das Inserat ist der Startschuss.
- Sammlungsbegutachtung: Die Besichtigung findet meist als Open-House statt. Mehrere Interessenten kommen gleichzeitig. Das ist kein Zufall. Der Makler will sehen, wie viele Leute interessiert sind. Nutzen Sie diese Gelegenheit: Fragen Sie nach dem Grundriss, der Energieausweis, der Sanierungsstatus, der Baugenehmigung. Alles, was Sie brauchen, um ein fundiertes Angebot abzugeben.
- Schriftliches Angebot abgeben: Sie erhalten ein Formular - oft per E-Mail. Dort tragen Sie Ihren Namen, Ihre Kontaktdaten, Ihr Gebot, Ihre Finanzierungsbedingungen und ggf. einen Termin für die Übergabe ein. Wichtig: Das Angebot ist unverbindlich. Sie können es zurückziehen, solange der Verkäufer noch nicht zugesagt hat. Aber: Sobald er zustimmt, wird es rechtlich bindend.
- Auswertung: Der Makler sammelt alle Gebote. Er sortiert sie nach Preis, Zahlungsbedingungen, Finanzierungsnachweis und Fristen. Der Verkäufer entscheidet dann. Und hier kommt der entscheidende Punkt: Der Höchstbietende gewinnt nicht automatisch.
- Entscheidung: Der Verkäufer kann das niedrigere Gebot wählen, wenn der Bieter eine schnelle, sichere Finanzierung nachweist. Oder wenn er den Kauf ohne Baufinanzierungsbedingung anbietet. Ein Angebot mit „Finanzierung vorbehaltlich“ ist oft weniger wert als ein niedrigeres Gebot mit „barzahlungsfähig“.
- Zuschlag und Vertrag: Wenn Sie gewinnen, bekommen Sie eine schriftliche Zusage. Dann folgt die notarielle Beurkundung. Bis dahin ist nichts verbindlich. Aber: Wenn Sie zugesagt haben und dann zurücktreten, können Sie Schadensersatz zahlen.
Einige Makler nutzen digitale Plattformen für die Angebotsabgabe - seit 2023 machen das 63 % der Agenturen. Das macht den Prozess schneller, aber auch transparenter. Sie bekommen eine Bestätigung, dass Ihr Angebot eingegangen ist. Kein „Ich weiß nicht, ob es angekommen ist.“
Was macht ein erfolgreiches Bieterverfahren aus?
Nicht jede Immobilie eignet sich dafür. Ein Bieterverfahren funktioniert nur, wenn:
- Die Nachfrage hoch ist - in begehrten Lagen, bei modernen Objekten, mit guter Infrastruktur.
- Die Marktlage positiv ist - in einer Rezession oder bei hohen Zinsen funktioniert es kaum.
- Der Verkäufer klar kommuniziert - Fristen, Unterlagen, Regeln.
Die Erfolgsquote liegt bei Verkäufern bei 76 %. Aber bei Käufern ist die Zufriedenheit geringer. Warum? Weil viele nicht verstehen, warum sie verloren haben. Sie geben 1,1 Millionen aus - und sehen, dass jemand anderes mit 1,05 Millionen gewonnen hat, weil er bar zahlte. Das ist frustrierend. Aber es ist legal.
Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist der Makler. Ein guter Makler strukturiert den Prozess, dokumentiert alles, kommuniziert klar. In einer Umfrage von KSK-Immobilien gaben 92 % der Nutzer an, dass die Transparenz des Ablaufs „gut“ oder „sehr gut“ war - wenn der Makler professionell war. Bei schlechten Maklern hingegen gab es Beschwerden über „unklare Fristen“ oder „fehlende Transparenz bei der Auswahl“.
Was Sie als Käufer wissen müssen - 5 entscheidende Regeln
Wenn Sie an einem Bieterverfahren teilnehmen, ist Ihr größter Feind nicht der Konkurrent - es ist Ihre eigene Emotion. Hier sind fünf Regeln, die Sie befolgen müssen:
- Setzen Sie sich ein Limit - und halten Sie sich daran. Machen Sie vorher eine Finanzierungsanalyse mit Ihrer Bank. Wie viel können Sie wirklich zahlen? Was ist Ihr Maximalbetrag? Schreiben Sie ihn auf. Und sagen Sie sich: „Ich gehe nicht darüber hinaus.“ Viele Käufer übertreiben aus Angst, das Objekt zu verlieren. Das ist der größte Fehler.
- Prüfen Sie alles, bevor Sie bieten. Fordern Sie den Energieausweis, den Grundriss, die Bauakten, die Schadstoffuntersuchung an. Wenn der Makler nicht bereit ist, das zu schicken, ist das ein Warnsignal. Ein guter Makler gibt alles vor der Abgabe der Gebote heraus.
- Vermeiden Sie Finanzierungsbedingungen - wenn möglich. Ein Angebot mit „Finanzierung vorbehaltlich“ ist schwach. Ein Angebot mit „barzahlungsfähig“ oder „Baufinanzierung bereits zugesagt“ ist stark. Wenn Sie nicht bar zahlen können, machen Sie vorher einen Vorvertrag mit Ihrer Bank - und zeigen Sie ihn im Angebot an.
- Verstehen Sie die Rechtslage. Ein Bieterverfahren ist nicht automatisch bindend. Laut § 145 BGB ist ein Angebot erst bindend, wenn es angenommen wird. Aber: Wenn der Verkäufer Ihnen schriftlich zugesagt hat, und Sie dann zurücktreten, können Sie auf Schadensersatz verklagt werden. Das ist kein Theorie-Problem - 8,3 % der Bieterverfahren enden in rechtlichen Auseinandersetzungen, weil jemand zurücktrat.
- Suchen Sie sich einen unabhängigen Experten. Ein Immobilienberater, der nicht vom Makler bezahlt wird, kann Ihnen helfen, den Marktwert einzuschätzen. Er sagt Ihnen: „Das Objekt ist überteuert.“ Oder: „Das ist ein Schnäppchen.“ Das ist wertvoller als jede Emotion.
Bieterverfahren vs. klassischer Verkauf: Was ist besser?
Ein klassischer Verkauf läuft so: Sie sehen eine Immobilie, rufen an, machen eine Besichtigung, verhandeln. Der Preis ist oft unklar. Der Verkäufer sagt: „Ich will 850.000 Euro.“ Sie bieten 780.000. Er sagt: „Nehmen Sie 820.000.“ Sie zahlen 800.000. Das kann Wochen dauern. Und am Ende ist keiner zufrieden.
Beim Bieterverfahren ist alles klarer:
| Aspekt | Bieterverfahren | Klassischer Verkauf |
|---|---|---|
| Dauer | 3-6 Wochen | 3-12 Monate |
| Transparenz | Hoch - anonyme Gebote, klare Regeln | Niedrig - versteckte Verhandlungen |
| Preis | Oft über Schätzwert, durch Wettbewerb | Unter oder nahe Schätzwert, durch Verhandlung |
| Rechtssicherheit | Mittel - Gebot erst bindend nach Zusage | Hoch - Verhandlung führt direkt zu Vertrag |
| Psychologischer Druck | Hoch - Angst, verlieren zu können | Niedrig - keine Konkurrenz sichtbar |
| Eignung | Begehrte Lagen, hohe Nachfrage | Alle Lagen, besonders schwierige Objekte |
Das Bieterverfahren ist kein Allheilmittel. Es ist eine Strategie für eine bestimmte Marktphase - und für bestimmte Objekte. Wenn Sie eine Immobilie in einem ländlichen Gebiet wie Mecklenburg-Vorpommern suchen, wird das Bieterverfahren kaum zum Einsatz kommen. Dort nutzen nur 19 % der Makler dieses Verfahren. In München sind es 78 %.
Was passiert, wenn kein Angebot kommt?
Es ist kein Mythos: Manchmal kommt kein Gebot. Oder alle Gebote liegen unter dem Mindestpreis. Ein Fall von Kampmeyer (2023) zeigt: Eine Immobilie mit Schätzwert 900.000 Euro blieb unverkauft, weil alle Gebote unter 850.000 Euro lagen. Der Verkäufer hatte zu hoch angesetzt. Die Marktlage war nicht so stark wie er dachte.
Das ist ein Risiko. Deshalb ist es wichtig, dass der Verkäufer realistisch ist. Ein guter Makler sagt: „Wenn Sie 1,2 Millionen verlangen, kommt kein Angebot. Geben Sie 1,05 Millionen vor - dann kommen die Gebote.“
Als Käufer sollten Sie diese Situation nicht als Chance sehen. Wenn kein Gebot kommt, ist das ein Zeichen: Die Immobilie ist entweder zu teuer, oder sie hat ein Problem. Prüfen Sie die Gründe. Vielleicht ist die Lage schlecht, die Sanierung teuer, die Energiebilanz katastrophal. Ein Bieterverfahren ohne Gebote ist kein Erfolg - es ist eine Warnung.
Was kommt als Nächstes? Die Zukunft des Bieterverfahrens
Das Bieterverfahren ist nicht nur eine Modeerscheinung. Es wächst. Seit 2020 hat sich seine Nutzung in Deutschland um 45 % erhöht. Der Immobilienverband IVD hat 2023 Leitlinien veröffentlicht, um Transparenz zu sichern. Die Digitalisierung macht es schneller. Und die Nachfrage in den Top-Städten bleibt hoch.
Aber es gibt Warnsignale. Der Deutsche Institut für Urbanistik warnt vor einer „Verzerrung des Marktpreises durch psychologischen Druck“. Wenn Käufer aus Angst überbieten, steigen die Preise künstlich. Das ist gefährlich - für den Markt, für die Mieter, für die nächste Generation.
Experten sind sich einig: Solange die Marktlage stabil bleibt, wird das Bieterverfahren bleiben. 87 % der Immobilienprofessoren halten es für langfristig tragfähig. Aber: Es braucht Regeln. Klare Kommunikation. Und vor allem: Respekt vor dem Prozess - von Verkäufern und Käufern gleichermaßen.
Ist ein Bieterverfahren rechtlich bindend?
Nein - nicht von Anfang an. Ihr Angebot ist unverbindlich, solange der Verkäufer nicht schriftlich zugesagt hat. Sobald er das tut, wird das Angebot rechtlich bindend. Wenn Sie dann zurücktreten, kann der Verkäufer Schadensersatz verlangen - zum Beispiel für Kosten, die er durch den verpassten Verkauf hat. Das ist kein theoretisches Risiko: In 8,3 % der Fälle kommt es zu rechtlichen Auseinandersetzungen.
Kann der Verkäufer das niedrigste Gebot wählen?
Ja. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, das höchste Gebot anzunehmen. Er kann das Angebot wählen, das für ihn am sichersten ist - zum Beispiel ein niedrigeres Gebot mit barer Zahlung, ohne Finanzierungsvorbehalt. Oder ein Angebot mit einem früheren Übergabetermin. Der Preis ist nur ein Faktor - die Sicherheit des Käufers zählt genauso.
Wie viel kostet ein Bieterverfahren für den Käufer?
Für den Käufer ist das Bieterverfahren kostenlos. Sie zahlen keine Gebühren, um ein Angebot abzugeben. Die Kosten fallen nur an, wenn Sie den Zuschlag bekommen - dann zahlen Sie die üblichen Kaufnebenkosten: Grunderwerbsteuer, Notar, Grundbucheintrag. Aber die Teilnahme selbst kostet nichts.
Was ist der größte Fehler, den Käufer machen?
Der größte Fehler ist, ohne Limit zu bieten. Viele Käufer lassen sich von der Spannung anstecken, sehen andere Gebote (oder vermuten sie) und übertreiben. Sie geben 10 % mehr aus, als sie sich leisten können. Das führt zu finanzieller Belastung - und manchmal zum Verlust der Immobilie, weil die Bank die Finanzierung verweigert. Setzen Sie Ihr Limit im Voraus - und halten Sie sich daran.
Wie finde ich heraus, ob ein Objekt für ein Bieterverfahren geeignet ist?
Prüfen Sie drei Dinge: Erstens, ist die Immobilie in einer begehrten Lage? Zweitens, ist der Schätzwert realistisch? Drittens, ist der Makler transparent? Wenn das Inserat viele Details enthält, die Besichtigung gut organisiert ist und der Makler Fragen offen beantwortet, ist das ein gutes Zeichen. Wenn das Inserat vage ist und der Makler keine Unterlagen schicken will - dann ist das kein Bieterverfahren, sondern eine Falle.
Was tun, wenn Sie verloren haben?
Verlieren im Bieterverfahren ist nicht das Ende. Es ist ein Signal. Fragen Sie den Makler: „Warum wurde das andere Angebot gewählt?“ Manchmal erfahren Sie, dass der Gewinner bar zahlte, oder einen schnelleren Termin hatte. Das ist nützliche Information für das nächste Mal.
Und dann: Gehen Sie weiter. Es gibt immer andere Objekte. Ein Bieterverfahren ist kein Wettbewerb um Liebe - es ist ein wirtschaftlicher Prozess. Wer ruhig bleibt, wer vorbereitet ist, wer sein Limit kennt - der gewinnt langfristig. Nicht immer im ersten Versuch. Aber oft.
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