Wenn Sie eine Wohnung übergeben oder übernehmen, ist ein einfaches Wortprotokoll nicht mehr genug. Wer heute keine klare, rechtssichere Fotodokumentation erstellt, riskiert teure Streitigkeiten - und oft auch die Kaution. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Rund 80 % aller Kautionsstreitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern drehen sich um unklare Zustandsbeschreibungen. Ein Foto kann hier den Unterschied machen zwischen 500 Euro Verlust und voller Rückerstattung.
Warum Fotos mehr als nur Erinnerungen sind
Ein schriftliches Protokoll sagt: „Die Wand hat einen Kratzer.“ Ein Foto zeigt: Wo genau? Wie tief? Ist es neu oder alt? Wer hat es verursacht? Gerichte legen Fotos viel mehr Gewicht bei als schriftliche Aussagen. Eine Studie der LMU München aus dem Jahr 2023 zeigt: Wohnungsübergaben mit lückenloser Fotodokumentation führen zu 67 % weniger Streitfällen. Und die Kaution wird durchschnittlich 28 Tage schneller ausgezahlt.Das liegt an der Beweiskraft. Ein Gericht glaubt einem Foto mehr als einem Mieter, der sagt: „Das war schon da.“ Oder einem Vermieter, der behauptet: „Das haben Sie kaputtgemacht.“ Fotos sind objektiv. Sie zeigen den Zustand - ohne Emotionen, ohne Erinnerungslücken.
Was ein rechtssicheres Foto alles können muss
Nicht jedes Handyfoto reicht. Ein rechtssicheres Bild hat klare technische Anforderungen. Laut der neuen DIN-Norm 18205-2, die seit März 2024 gilt, muss jede Aufnahme:- mindestens 300 dpi Auflösung haben,
- einen klaren Zeit- und Datumsstempel tragen,
- den gesamten Raum von allen vier Ecken erfassen,
- alle Wände, Decken und Böden zeigen,
- mit mindestens 200 Lux Beleuchtung aufgenommen sein (kein Dunkelheitstrick!),
- und eine Farbvergleichsplatte enthalten, damit Farben nicht verzerrt werden.
Dazu kommen Detailaufnahmen: Jeder Kratzer, jeder Fleck, jede beschädigte Dichtung - alles muss aus mehreren Blickwinkeln fotografiert werden. Und immer mit einem Maßstab daneben. Ein 10-Cent-Stück reicht. Ein Lineal ist besser. So kann später genau gemessen werden, ob es sich um einen Kratzer oder eine tiefe Kerbe handelt.
Pro Raum sollten mindestens 12 Fotos gemacht werden - systematisch, im Uhrzeigersinn, von Tür bis Tür. Keine Sprünge. Keine „Ich hab’s mal schnell gemacht“-Bilder. Wer das macht, hat später keine Chance, vor Gericht zu gewinnen.
Die größte Fallgrube: Datenschutz
Hier liegt der Hase im Pfeffer. Fotos von Wohnräumen sind personenbezogene Daten - und damit streng geschützt durch die DSGVO. Das bedeutet: Sie dürfen nicht einfach losfotografieren, nur weil Sie Vermieter sind. Sie brauchen die ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mieters.Das Landgericht Frankenthal hat 2023 klargestellt: Eine stillschweigende Einwilligung durch bloßes Mitmachen reicht nicht. Der Mieter muss wissen, warum fotografiert wird, wie lange die Fotos gespeichert werden und wofür sie genutzt werden. Und er muss die Möglichkeit haben, die Einwilligung zu widerrufen.
Und dann gibt es noch das Problem der Metadaten. Die meisten Handys speichern bei jedem Foto: Ort, Uhrzeit, Modell, GPS-Koordinaten. Wer diese Daten nicht löscht, macht sich strafbar. Laut Bundesdatenschutzbeauftragtem (BfDI) waren 42 % aller Fotodokumentationen im Jahr 2023 rechtswidrig, weil die Metadaten nicht entfernt wurden. Spezialisierte Apps wie „WohnungsCheck“ oder „MietProtokoll“ tun das automatisch. Sie löschen Metadaten, fügen Zeitstempel hinzu und speichern die Fotos verschlüsselt - alles nach DSGVO.
Wer unterschreibt - und wie
Ein Foto allein reicht nicht. Es muss dokumentiert werden, wer es gemacht hat, wann und mit wem. Beide Parteien - Vermieter und Mieter - müssen das Protokoll unterschreiben. Und zwar nach der Aufnahme, nicht davor. Das ist wichtig. Wer vorher unterschreibt, hat keine Kontrolle mehr über den tatsächlichen Zustand.Die Unterschrift muss nicht handschriftlich sein. Ein elektronischer Unterschriftsdienst, der den Anforderungen der eIDAS-Verordnung entspricht, ist genauso gültig. Das hat der Bundesgerichtshof 2022 bestätigt. Sie können also das Protokoll per Tablet unterschreiben - und gleichzeitig die Fotos hochladen. Kein Papier, kein Drucker, kein Postweg. Alles digital, sicher, nachweisbar.
Und: Das Protokoll muss beiden Parteien sofort nach der Übergabe zur Verfügung gestellt werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat 2023 klargestellt: 14 Tage sind die maximale Frist. Wer länger wartet, verliert die Beweiskraft. Die Fotos müssen unverändert, mit Zeitstempel und Unterschrift gespeichert werden - mindestens 30 Jahre lang. Das ist der Verjährungszeitraum für Mängelansprüche nach § 195 BGB. Wer nach 25 Jahren noch verklagt wird, braucht die Fotos. Und wenn er sie nicht hat, hat er verloren.
Was schiefgeht - und wie Sie es vermeiden
Die meisten Fehler sind einfach - und vermeidbar.- Kein Tageslicht: 28 % aller Fotos werden bei schlechter Beleuchtung gemacht. Das verfälscht Farben und macht Schäden unsichtbar. Fotografieren Sie immer bei Tageslicht - Fenster auf, Jalousien hoch.
- Nur von einer Seite: 22 % der Fotos zeigen Schäden nur aus einem Winkel. Ein Kratzer sieht von vorne harmlos aus - von der Seite ist er tief. Machen Sie mindestens drei Aufnahmen pro Schaden.
- Kein Maßstab: Wer keinen Maßstab mitfoto, kann später nicht beweisen, ob es ein Kratzer oder ein Loch ist. Ein Eurocent reicht. Aber er muss sichtbar sein.
- Zeitdruck: 37 % der Mieter fühlen sich bei der Übergabe unter Druck gesetzt. Sie unterschreiben, weil sie weg müssen. Das ist kein Einverständnis. Nehmen Sie sich Zeit. Sprechen Sie alles durch. Schreiben Sie auf, was besprochen wurde.
- Kein Protokoll vorher: Wenn der Mieter die Wohnung vor der Übergabe schon repariert hat, aber das nicht dokumentiert ist, wird er später als Schuldiger angesehen. Machen Sie ein Vorher-Nachher-Vergleichsprotokoll. Oder fotografieren Sie vor der Reparatur.
Und: Vergessen Sie nicht die unbewohnten Räume. Eine Studie der TU Dortmund zeigt: In 63 % der Fälle werden Schäden in leerstehenden Wohnungen fälschlicherweise dem letzten Mieter angelastet - weil niemand dokumentiert hat, wie der Zustand vor der Leerstandzeit war. Fotografieren Sie auch die Wohnung, bevor ein neuer Mieter einzieht. Und halten Sie das Protokoll.
Wie viel kostet das?
Sie können es selbst machen. Mit einem Smartphone und einer App wie „WohnungsCheck“ kostet das nichts - außer Zeit. Eine 80 m²-Wohnung braucht etwa 2,5 Stunden. Das ist viel. Aber es spart im Endeffekt mehr als 1.200 Euro - den durchschnittlichen Schadensersatzanspruch, den der Immobilienverband IVD für 2023 ermittelte.Wenn Sie es professionell machen wollen: Spezialisierte Dienstleister wie „FotoCheck Immobilien“ berechnen durchschnittlich 120 Euro pro Objekt. Das ist teurer als ein Kaffee. Aber günstiger als ein Rechtsstreit. Und: Sie bekommen ein vollständig DSGVO-konformes Protokoll mit Unterschrift, Zeitstempel, Metadatenlöschung und Archivierung - alles in einem Paket.
78 % der professionellen Vermieter nutzen heute digitale Fotodokumentation - 2020 waren es nur 52 %. Der Trend ist klar: Wer nicht digitalisiert, verliert.
Was kommt als Nächstes?
Die Technik entwickelt sich weiter. Bis 2027 sollen 65 % aller professionellen Immobilienübergaben mit 3D-Scans durchgeführt werden. Statt einzelner Fotos wird der ganze Raum als digitales Modell erfasst. Sie können dann virtuell durch die Wohnung laufen, jeden Winkel prüfen, sogar den Zustand der Heizkörper messen. Es ist wie ein digitaler Zollstock für die Wohnung.Der Gesetzgeber arbeitet bereits an einer neuen Regelung. Der Bundestag hat im Februar 2024 einen Entwurf vorgelegt, der digitale Protokolle mit qualifizierter elektronischer Signatur als vollwertigen Beweis anerkennt. Das bedeutet: In Zukunft könnte ein solches Protokoll sogar vor Gericht als Ersatz für eine Zeugenaussage gelten.
Doch solange das nicht gesetzlich verankert ist: Bleiben Sie bei dem, was funktioniert. Fotografieren. Dokumentieren. Unterschreiben. Speichern. Und machen Sie es richtig - nicht halb.
Muss ich als Mieter der Fotodokumentation zustimmen?
Ja. Ohne Ihre ausdrückliche, schriftliche Einwilligung darf der Vermieter keine Fotos von den Innenräumen machen. Das hat das Landgericht Frankenthal 2023 klargestellt. Sie dürfen die Einwilligung verweigern - aber dann sollte der Vermieter das Protokoll nicht mit Fotos, sondern nur schriftlich erstellen. Das erhöht später das Risiko von Streitigkeiten. Es ist daher im eigenen Interesse, zuzustimmen - und die Fotos genau zu prüfen.
Kann ich die Fotos später löschen?
Nein. Die Fotos müssen mindestens 30 Jahre aufbewahrt werden, weil Mängelansprüche bis dahin geltend gemacht werden können. Selbst wenn Sie nach einem Jahr ausziehen, bleibt das Protokoll rechtlich bindend. Der Vermieter oder die Verwaltung ist verpflichtet, die Daten sicher zu speichern. Sie als Mieter können jedoch verlangen, dass Ihre Fotos nicht veröffentlicht oder für Werbezwecke genutzt werden - das ist Teil der Einwilligung.
Was mache ich, wenn der Vermieter die Fotos nicht übersendet?
Fordern Sie sie schriftlich an - per E-Mail oder Brief. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat 2023 entschieden: Die Übergabe des Protokolls ist Pflicht. Wenn es nicht kommt, dokumentieren Sie das. Wenn später ein Streit entsteht, ist die fehlende Übergabe ein Indiz dafür, dass der Vermieter nicht ordnungsgemäß vorgegangen ist. In solchen Fällen entscheiden Gerichte oft zu Gunsten des Mieters.
Reicht ein Foto vom Boden, wenn die Wand kaputt ist?
Nein. Jeder Schaden muss von mehreren Seiten fotografiert werden - auch die Wände, Decken, Türen und Fenster. Ein Foto vom Boden sagt nichts über eine abgeplatzte Tapete an der Decke aus. Die DIN-Norm verlangt eine vollständige Erfassung aller Flächen. Wer nur teilweise fotografiert, hat später keinen Beweis - und verliert den Streit.
Kann ich die Fotos mit meinem eigenen Handy machen?
Ja - aber nur, wenn Sie die technischen Vorgaben erfüllen: klare Beleuchtung, Zeitstempel, Maßstab, keine Metadaten. Die meisten Handys speichern Ort und Uhrzeit automatisch - das ist verboten. Nutzen Sie eine App wie „WohnungsCheck“ oder „MietProtokoll“, die das automatisch bereinigt. Sonst riskieren Sie einen Datenschutzverstoß - und die Fotos sind vor Gericht wertlos.
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