Altöl und kontaminierte Böden: Was passiert, wenn Öl in den Boden gelangt?

Stellen Sie sich vor, ein alter Tank unter einer ehemaligen Tankstelle bricht. Jahrzehntelang lief Öl langsam in den Boden. Kein sichtbarer Schaden, kein Geruch, aber der Boden ist vergiftet. Mineralölkohlenwasserstoffe (MOK) und polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) haben sich tief eingenistet. Sie dringen ins Grundwasser, schädigen Pflanzen, Tiere und letztlich auch Menschen. Das ist kein Szenario aus einem Film - das passiert jeden Tag in Deutschland. Laut einer Studie des Bundesumweltministeriums aus dem Jahr 2023 machen Ölkontaminationen 35 % aller Bodensanierungsprojekte aus. Das ist mehr als jedes dritte Sanierungsprojekt.

Warum ist das so wichtig? Weil Boden kein Abfall ist. Er ist ein lebendiges Ökosystem. Wenn er kontaminiert ist, verliert er seine Funktion. Er kann kein Wasser speichern, keine Nährstoffe liefern, keine Pflanzen tragen. Und das hat Folgen - für die Umwelt, für die Nachbarschaft, für den Wert des Grundstücks.

Wie entsteht eine Ölkontamination?

Es sind nicht nur große Industrieanlagen, die den Boden vergiften. Oft sind es kleine, unscheinbare Quellen: ein undichter Heizöltank im Keller, ein undichter Kanal unter einer Werkstatt, ein Leck beim Tanken von Maschinen, unsachgemäße Entsorgung von Altöl. Die meisten Kontaminationen entstehen über Jahre hinweg - langsam, unauffällig, aber mit katastrophalen Folgen.

Die Schadstoffe, die dabei entstehen, sind vielfältig. Mineralöle, Diesel, Benzin, Schweröle - sie alle enthalten chemische Verbindungen, die sich nicht einfach abbauen. Besonders gefährlich sind PAK, die in vielen Ölsorten vorkommen und krebserregend sein können. Die Grenzwerte dafür sind streng: In Trinkwasserschutzgebieten dürfen nur noch 50 mg/kg Mineralölkohlenwasserstoffe im Boden sein. Auf gewerblichen Flächen liegt die Grenze bei 500 mg/kg. Doch oft werden Werte von 10.000 mg/kg oder mehr gemessen - das ist ein mehr als 20-facher Überschuss.

Wie wird kontaminierter Boden gereinigt?

Es gibt nicht die eine Lösung. Die Wahl des Sanierungsverfahrens hängt von der Tiefe der Kontamination, der Art des Bodens, der Schadstoffkonzentration und den Kosten ab. Aber eines ist klar: Die meisten Projekte heute nutzen biologische Verfahren. Sie sind nicht nur umweltfreundlicher - sie sind auch günstiger.

Die biologische Bodensanierung nutzt Mikroorganismen, die natürlich im Boden leben. Diese Bakterien fressen das Öl - sie verwandeln es in Wasser, Kohlendioxid und harmlose Salze. Das klingt wie Magie, ist aber Wissenschaft. Laut Forschungen des Ingenieurbüros Stegmann und Partner erreichen diese Verfahren bei Ölkontaminationen Abbauraten von 80 bis 95 %. Das ist deutlich besser als physikalisch-chemische Methoden, die oft nur 60-80 % schaffen.

Es gibt zwei Hauptansätze: ex situ und in situ.

  • Ex situ: Der Boden wird ausgehoben, transportiert und in einer Anlage behandelt. Das ist teuer, störungsanfällig und verursacht viel Verkehr. Es wird heute nur noch selten eingesetzt - meist nur, wenn die Kontamination sehr stark ist oder der Boden extrem dicht ist.
  • In situ: Der Boden wird direkt vor Ort gereinigt. Kein Ausheben, kein Transport. Das ist die Standardmethode heute. Dazu gehören Verfahren wie Bioventing - bei dem Luft in den Boden gepumpt wird, um den Mikroorganismen Sauerstoff zu liefern - oder die Anwendung von Pflanzenöl, das die Schadstoffe aus dem Boden löst, damit die Bakterien sie besser abbauen können.

Ein Fallbeispiel aus Köln: Eine Tankstellenfläche von 500 Quadratmetern war mit 12.500 mg/kg Öl kontaminiert. Mit einer Kombination aus Pflanzenöl und aktivierten Mikroorganismen wurde die Konzentration in nur 8 Monaten auf unter 500 mg/kg gesenkt - unter dem Grenzwert. Kein Ausheben. Kein Abtransport. Kein Lärm. Nur Natur, die ihren Job macht.

Wissenschaftler messen Bodenwerte, während Mikroben Öl im Erdreich abbauen.

Warum sind biologische Verfahren die beste Wahl?

Die Zahlen sprechen für sich. Biologische Sanierungen kosten zwischen 100 und 150 Euro pro Tonne Boden. Thermische Verfahren, bei denen der Boden gebrannt wird, kosten 250 bis 400 Euro pro Tonne. Das ist mehr als das Doppelte. Und während thermische Verfahren den Boden komplett zerstören, bleibt bei biologischen Verfahren der Boden lebendig. Er kann nach der Sanierung wieder genutzt werden - für Bäume, für Rasen, für ein neues Gebäude.

Auch die Umweltbilanz ist besser. Biologische Verfahren setzen kaum CO₂ frei. Thermische Verfahren brauchen große Mengen Energie - oft aus fossilen Quellen. Und sie erzeugen Abgase, die behandelt werden müssen. Biologische Sanierungen arbeiten mit der Natur - nicht gegen sie.

Ein weiterer Vorteil: Sie sind skalierbar. Ob ein kleiner Garten mit einem Leck oder eine ehemalige Raffinerie - die Methode lässt sich anpassen. Und sie verursachen kaum Nebenwirkungen. Keine Chemikalien, die ins Grundwasser sickern. Keine Staubwolken. Keine Lärmemissionen.

Was sind die Grenzen der biologischen Sanierung?

Es ist kein Wundermittel. Biologische Verfahren haben ihre Grenzen. Sie brauchen Zeit. Während thermische Sanierungen in 2 bis 4 Monaten abgeschlossen sind, dauert eine biologische Sanierung 6 bis 12 Monate. Das ist langsam. Und es braucht Geduld.

Auch die Tiefe ist ein Problem. Ab einer Tiefe von 5 Metern wird es schwierig, die Mikroorganismen mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Dann müssen andere Methoden her - oder man kombiniert biologische Verfahren mit mechanischen Eingriffen.

Und bei extrem hohen Konzentrationen - über 5.000 mg/kg - stoßen Bakterien an ihre Grenzen. Dann braucht es eine Vorbereitung: Erst wird der Boden mit Nährstoffen angereichert, dann wird er mit Luft versorgt, dann erst beginnt die biologische Reinigung. Ein Gutachten des Umweltbundesamts aus dem Jahr 2020 zeigt: Bei 12 von 100 Sanierungsprojekten war die Sanierung unvollständig, weil der Boden nicht gleichmäßig behandelt wurde. Das ist ein Warnsignal. Biologische Sanierung ist nicht einfach nur „Boden gießen und warten“. Es braucht Präzision.

IoT-Sensoren und genetisch optimierte Bakterien reinigen kontaminierten Boden im Untergrund.

Was braucht es für eine erfolgreiche Sanierung?

Es ist nicht nur die Technik. Es ist die Planung. Es ist die Kontrolle.

Bevor man anfängt, muss man wissen, wie stark und wo genau der Boden kontaminiert ist. Dafür braucht man mindestens fünf Bodenproben pro 100 Quadratmeter. Ein einziger Messpunkt reicht nicht. Öl verteilt sich ungleichmäßig - es sammelt sich in Senken, an Wurzeln, unter Betonplatten. Ohne genaue Kartierung läuft man Gefahr, Teile des Bodens zu übersehen.

Dann kommt die Überwachung. Während der Sanierung muss man regelmäßig messen: Wie hoch ist die Bodenfeuchte? Ist sie zwischen 20 und 30 %? Ist die Temperatur zwischen 15 und 25 °C? Ist der Sauerstoffgehalt mindestens 5 Vol.-%? Wenn nicht, muss man nachsteuern. Mit Pumpen, mit Bewässerung, mit Belüftung.

Und dann gibt es die Dokumentation. Nach der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) müssen mindestens drei Kontrollmessungen während der Sanierung durchgeführt werden - und eine abschließende Prüfung nach 12 Monaten. Wer das nicht macht, riskiert Strafen. Und wer es nicht dokumentiert, kann später nicht beweisen, dass der Boden wirklich sauber ist.

Was ist die Zukunft der Bodensanierung?

Die Technik entwickelt sich schnell. Seit 2023 setzt die Firma SOWATEC IoT-Sensoren ein, die Bodenfeuchte, Temperatur und Sauerstoffgehalt in Echtzeit messen. Die Daten fließen in ein System, das automatisch die Luftzufuhr anpasst. In einer Pilotstudie in Linz hat das die Sanierungszeit um 25 % verkürzt.

Am Helmholtz-Zentrum in Leipzig arbeiten Wissenschaftler an genetisch optimierten Bakterien. Diese Mikroorganismen sind speziell auf Schweröle gezüchtet. In Laborversuchen haben sie bereits 92 % der Schadstoffe innerhalb von 4 Monaten abgebaut - das ist schneller als jede bisherige Methode.

Und Prof. Ralf Stegmann, einer der führenden Experten, sagt: „Die Zukunft liegt in der Kombination.“ Biologische Sanierung mit geotextilen Systemen, die Schadstoffe binden. Mit Pflanzen, die Schwermetalle aufnehmen. Mit Sensoren, die die Prozesse steuern. Das ist kein Traum. Das ist bereits im Einsatz.

Der Markt wächst. Jährlich werden in Deutschland 1,2 Milliarden Euro für Bodensanierung ausgegeben. Der Anteil der biologischen Verfahren bei Ölkontaminationen liegt bei 58 % - und steigt. Weil sie funktionieren. Weil sie günstig sind. Weil sie die Umwelt schonen.

Was können Sie tun?

Sie sind kein Industrieunternehmen? Sie haben keinen Tank unter Ihrem Garten? Trotzdem: Sie können etwas tun.

  • Wenn Sie Altöl haben - bringen Sie es zur Recyclingstelle. Niemals in die Erde gießen, niemals in den Abfluss.
  • Wenn Sie einen alten Heizöltank haben - lassen Sie ihn prüfen. Ein Leck kann Jahre lang unentdeckt bleiben.
  • Wenn Sie ein Grundstück kaufen - fragen Sie nach einer Bodenuntersuchung. Vor allem bei ehemaligen Werkstätten, Tankstellen oder Industrieflächen.

Ein sauberer Boden ist kein Luxus. Er ist die Grundlage für alles Leben. Und er ist die Voraussetzung für eine Zukunft, in der wir nicht mehr die Folgen von gestern bezahlen müssen.

Wie lange dauert eine biologische Bodensanierung?

Eine biologische Bodensanierung dauert in der Regel 6 bis 12 Monate. Das liegt an der natürlichen Abbaurate der Mikroorganismen. Im Vergleich dazu dauern thermische Verfahren nur 2 bis 4 Monate, sind aber deutlich teurer und umweltschädlicher. Die Dauer hängt von der Schadstoffkonzentration, der Bodentemperatur und der Feuchtigkeit ab. Eine kontinuierliche Überwachung kann die Zeit verkürzen.

Kann ich eine Ölkontamination selbst sanieren?

Nein. Eine Ölkontamination im Boden ist kein Heimwerkerprojekt. Die Sanierung erfordert spezielle Kenntnisse, Messgeräte, Genehmigungen und Dokumentationen nach der BBodSchV. Selbst kleine Flächen müssen von einem Fachbetrieb untersucht und behandelt werden. Falsch durchgeführte Sanierungen können zu weiterer Kontamination oder rechtlichen Konsequenzen führen.

Was kostet eine Bodensanierung?

Die Kosten hängen vom Verfahren und der Schadstoffmenge ab. Biologische Sanierungen kosten zwischen 100 und 150 Euro pro Tonne Boden. Thermische Verfahren liegen bei 250 bis 400 Euro pro Tonne. Für eine typische Tankstellenfläche von 500 m² mit mittlerer Kontamination liegt der Gesamtaufwand zwischen 20.000 und 50.000 Euro. Die Kosten steigen mit der Tiefe und der Komplexität der Kontamination.

Welche Grenzwerte gelten für Öl im Boden?

In Trinkwasserschutzgebieten darf der Gehalt an Mineralölkohlenwasserstoffen (MOK) nicht mehr als 50 mg/kg betragen. Auf gewerblichen oder industriellen Flächen liegt der Grenzwert bei 500 mg/kg. Diese Werte sind in der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) festgelegt. Werte über 5.000 mg/kg gelten als stark kontaminiert und erfordern dringende Sanierungsmaßnahmen.

Ist biologische Sanierung sicher für das Grundwasser?

Ja, wenn sie richtig durchgeführt wird. Biologische Verfahren abbauen die Schadstoffe in harmlose Bestandteile - Wasser, Kohlendioxid und Salze. Sie setzen keine Chemikalien frei, die ins Grundwasser sickern könnten. Im Gegensatz zu Lösungsmittelverfahren oder Bodenwäsche sind sie daher die sicherste Methode für den Schutz des Grundwassers. Wichtig ist nur, dass die Sanierung kontinuierlich überwacht wird.