Ein Brand in einer Wohnung beginnt oft nicht mit offener Flamme, sondern mit einem überhitzten Kabel, einem defekten Stecker oder einer schlecht abgedichteten Durchführung. In Deutschland sterben jährlich über 400 Menschen durch Brände - und fast jeder fünfte Brand hat seine Ursache in der Elektroinstallation. Dabei ist das Risiko vermeidbar. Mit den richtigen Materialien, der korrekten Verlegung und einer fachgerechten Abschottung wird die Elektroinstallation nicht nur sicher, sondern lebensrettend. Doch was genau muss beim Brandschutz in Leitungen, Dosen und Durchführungen beachtet werden? Und warum reicht ein normales Kabel nicht aus?

Warum normale Kabel im Brandfall versagen

Viele Hausbesitzer glauben, dass ein Kabel, das gut funktioniert, auch sicher ist. Das stimmt nicht. Ein Standardkabel nach DIN VDE 0250 kann bei einer Überlastung oder einem Lichtbogen bis zu 900 Grad Celsius erreichen. In diesem Zustand schmilzt die Isolierung, tropft und entzündet umliegende Materialien. Die Flammen breiten sich dann entlang der Leitungen aus - oft schneller als die Feuerwehr eintrifft.

Die Lösung: Kabel, die die Prüfung nach DIN EN 60332 (VDE 0482-332) bestehen. Diese Kabel müssen in einer 3,5 Meter langen Prüfstrecke die Flammenausbreitung auf maximal 1,5 Meter begrenzen. Das bedeutet: Selbst wenn ein Kabel brennt, bleibt der Brand lokalisiert. Solche Kabel tragen die Kennzeichnung Eca gemäß DIN EN 13501-6. Sie sind nicht teurer als herkömmliche Kabel - aber sie retten Leben. Einige Hersteller wie Lapp, Nexans oder HellermannTyton bieten diese Kabel in allen gängigen Querschnitten an. Der Preisunterschied liegt bei bis zu 40 Prozent, aber das ist kein Aufschlag, sondern eine Investition in Sicherheit.

Elektroinstallationen: Dosen und Kabelkanäle als Brandfallfallen

Elektroinstallationen bestehen nicht nur aus Kabeln. Dosen, Klemmen, Schalter und Kabelkanäle sind genauso wichtig. Eine schlecht verbaute Steckdose kann durch Überhitzung den Wandputz entzünden. Ein ungeeigneter Kabelkanal kann den Brand von einem Raum in den nächsten tragen.

Die Norm DIN EN 61386 (VDE 0605) schreibt vor: Offene Rohrsysteme dürfen Flammen nur bis zu 50 Zentimeter weiterleiten. Geschlossene Kanalsysteme nach DIN EN 50085 (VDE 0604) müssen die Flammen auf maximal 25 Zentimeter begrenzen. Das ist kein Detail - das ist die Grenze zwischen einem kontrollierten Brand und einem Hausbrand. In einem Test des TÜV SÜD wurde ein Bürogebäude mit herkömmlichen Kanälen beschädigt: Der Brand breitete sich 8,5 Meter aus. In einem Nachbargebäude mit zertifizierten Brandschutzkanälen blieb die Schadensgrenze bei 18 Zentimetern.

Wichtig: Nicht alle Kunststoffkanäle sind gleich. Nur solche mit dem VDE-Zeichen und der Angabe „Flammwidrigkeit“ oder „F90“ erfüllen die Anforderungen. Wer im Neubau oder bei einer Sanierung spart, indem er billige Kanäle nimmt, spielt mit dem Feuer - wörtlich.

Abschottung: Der unsichtbare, aber entscheidende Schutz

Die größte Schwachstelle in fast jeder Elektroinstallation ist die Abschottung. Das sind die Dichtungen, die Kabeldurchführungen durch Wände, Decken oder Fußböden abdichten. In 37,8 Prozent der geprüften Installationen war diese Abschottung nicht fachgerecht - und das verlängert die Feuerwiderstandsdauer um bis zu 65 Prozent.

Warum ist das so kritisch? Weil Flammen und Rauch durch jede noch so kleine Öffnung wandern. Ein Kabel, das durch eine Betondecke führt, muss mit einem brandschutzgeprüften Abschottungssystem umgeben sein - etwa mit feuerhemmenden Dichtmassen, mineralischen Füllungen oder speziellen Brandschutzkappen. Die Abschottung muss den gleichen Feuerwiderstand wie die Wand oder Decke haben. Wenn die Wand F90 hat, muss auch die Abschottung F90 sein.

Praktischer Tipp: Verwenden Sie nie Silikon, Polyurethan oder normale Dichtmassen. Diese Materialien schmelzen im Brandfall und lassen Flammen und Rauch durch. Nutzen Sie nur Produkte, die nach DIN 4102-12 oder DIN EN 1366-3 geprüft sind. Hersteller wie OBO Bettermann, Rittal oder Sika bieten dafür spezielle Kits an - inklusive Anleitung für die korrekte Montage.

Elektrische Verteilerdose mit AFDD-Geräten, die Lichtbögen erkennen und unterbrechen.

Brandschutzschalter: Der elektronische Wächter

Nicht jeder Brand beginnt mit einem Kurzschluss. Viele entstehen durch Lichtbögen - kleine, aber extrem heiße Funken, die bei lockerem Kontakt zwischen Leitern entstehen. Das passiert oft bei alten Steckdosen, defekten Schaltern oder unsachgemäß verlegten Kabeln. Standard-Leitungsschutzschalter erkennen diese nicht.

Abhilfe schaffen AFDDs - Arc Fault Detection Devices. Diese Geräte erkennen die charakteristische elektrische Signatur eines Lichtbogens und schalten die Leitung innerhalb von Millisekunden ab. Die DIN VDE 0100-420 fordert sie seit 2019 in Räumen mit erhöhtem Brandrisiko - wie Schlafzimmern, Wohnzimmern oder Fluren. Seit Januar 2024 ist eine 16-stündige Schulung für Elektrofachkräfte verpflichtend, um AFDDs zu installieren.

Die Kosten liegen bei etwa 80 bis 120 Euro pro Gerät - aber sie verhindern 18,7 Prozent der elektrisch verursachten Wohnungsbrände, wie eine Studie der TU Braunschweig zeigt. In Neubauten mit mehr als 500 Quadratmetern Nutzfläche sind AFDDs seit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) vom 1. November 2020 sogar gesetzlich vorgeschrieben. Bei Sanierungen sind sie noch nicht verpflichtend - aber sie sollten es sein.

Die falsche Falle: Überladung und Kabelbündelung

Ein weiterer häufiger Fehler: Kabelbündelung. Wer zehn Kabel in einem Kanal zusammenlegt, erhöht die Temperatur dramatisch. Die Norm sagt klar: Die maximale Belastung von Kabeln darf 70 Prozent der Nennstromstärke nicht überschreiten. Und Kabelbündel dürfen nicht dichter als 10 Zentimeter auseinander liegen.

Warum? Weil Kabel Wärme abgeben. Wenn sie zu dicht beieinander liegen, kann sich die Hitze nicht abführen. Die Isolierung wird spröde, bricht und führt zu Kurzschlüssen. In 28,7 Prozent aller dokumentierten Installationsschäden war genau das der Grund. Die Lösung: Kabel trennen, verteilen, nicht stapeln. Nutzen Sie mehrere Kanäle, wenn nötig. Oder wählen Sie Kabel mit höherer Temperaturbeständigkeit - etwa mit 90 Grad Celsius Nennbetriebstemperatur statt 70 Grad.

Was ist mit Photovoltaik und E-Ladestationen?

Photovoltaik-Anlagen und E-Auto-Ladestationen sind heute Standard. Aber sie bringen neue Brandrisiken mit sich. PV-Module können bei Beschädigung Lichtbögen erzeugen. Ladestationen arbeiten mit hohen Strömen - und oft über lange Kabel, die in Wänden verlegt werden.

Die aktuelle DIN VDE 0100-420 (2019) behandelt diese Anlagen nur unzureichend. Das wird sich ändern: Ab 1. Juli 2024 tritt eine überarbeitete Version in Kraft, die spezifische Anforderungen an PV- und Ladestationen enthält. Bis dahin gilt: Verwenden Sie nur zertifizierte Ladegeräte nach IEC 62196, und legen Sie die Kabel mit Brandschutzkanälen ab. Vermeiden Sie Verlegungen in Holzbalken oder Dämmmaterialien - das erhöht das Risiko.

Querschnitt durch ein Gebäude mit brandschutzgeprüften Durchführungen und intelligenten Überwachungssensoren.

Dokumentation: Nicht nur Papierkram, sondern Lebensversicherung

Ein fehlerfreier Einbau nutzt nichts, wenn niemand weiß, was installiert wurde. Die VdS 6024-Richtlinie verlangt eine vollständige Dokumentation: Welche Kabel? Welche Abschottung? Wo liegen die AFDDs? Wer hat die Installation geprüft?

Das ist kein bürokratischer Aufwand - das ist Ihre Versicherung. Im Brandfall prüft die Versicherung: War alles nach Norm installiert? Wenn nicht, kann die Leistung verweigert werden. Außerdem müssen Brandschutzkanäle alle 24 Monate geprüft werden. Wer das vergisst, hat einen nicht mehr sicheren Zustand - auch wenn die Installation damals korrekt war.

Was ist mit alten Häusern?

In Gebäuden, die vor 2010 gebaut wurden, ist der Brandschutz oft nicht vorhanden. Sollte man alles austauschen? Nein. Aber: Bei jeder Sanierung, bei jeder neuen Steckdose, bei jeder neuen Leitung muss der Brandschutz berücksichtigt werden. Das ist kein „sollte“, sondern eine Pflicht gemäß der Musterbauordnung (MBO) und den Landesbauordnungen.

Ein einfacher Weg: Installieren Sie AFDDs in allen Räumen, in denen Menschen schlafen oder sich längere Zeit aufhalten. Tauschen Sie alte Kabelkanäle gegen zertifizierte Brandschutzkanäle aus - besonders in Fluren und Treppenhäusern. Dichten Sie alle Durchführungen nach. Das kostet nicht mehr als eine neue Küche - aber es rettet Ihr Zuhause.

Die Zukunft: Smarte Brandschutzsysteme

Die Zukunft gehört nicht nur zu besseren Kabeln, sondern zu intelligenten Systemen. Bis 2027 soll die Integration von Brandschutz in Smart-Building-Systeme 34,5 Prozent des Marktes ausmachen. KI-gestützte Überwachungssysteme, die elektrische Anlagen kontinuierlich auf Lichtbögen, Überhitzung und Fehlstrom analysieren, sind bereits in Entwicklung. Die VdS Schadenverhütung plant bis Ende 2024 eine neue Version der VdS 6024, die diese Technologien standardisiert.

Das bedeutet: In zehn Jahren wird man nicht mehr nur nach Normen bauen - sondern nach Daten. Wer heute auf moderne Brandschutztechnik setzt, baut nicht nur sicher - er baut zukunftsfähig.

Was ist der Unterschied zwischen einem normalen Kabel und einem Brandschutzkabel?

Ein normales Kabel ist nur für den normalen Betrieb ausgelegt. Ein Brandschutzkabel nach DIN EN 13501-6 (Eca-Klasse) wird im Brandfall getestet: Es darf Flammen nur auf maximal 1,5 Meter ausbreiten, während normale Kabel bis zu 8 Meter oder mehr weiterleiten. Brandschutzkabel haben eine spezielle Isolierung, die nicht brennt, nicht tropft und keine giftigen Gase freisetzt.

Muss ich in meinem Altbau alle Kabel austauschen?

Nein. Sie müssen nicht alle Kabel ersetzen, wenn sie funktionieren. Aber bei jeder Erweiterung, Sanierung oder neuen Steckdose müssen Sie Brandschutzmaßnahmen einhalten: AFDDs installieren, zertifizierte Kanäle verwenden und alle Durchführungen dichten. Das ist gesetzlich vorgeschrieben - nicht freiwillig.

Warum sind Brandschutzkanäle so wichtig?

Kabelkanäle sind die Straßen für elektrische Leitungen. Wenn sie nicht feuerbeständig sind, wird der Brand durch sie von einem Raum in den nächsten getragen. Zertifizierte Brandschutzkanäle begrenzen die Flammenausbreitung auf maximal 25 Zentimeter - das gibt Zeit, Menschen zu retten und die Feuerwehr zu alarmieren. Ohne sie ist jede Installation ein potenzielles Brandfenster.

Was passiert, wenn ich keine Abschottung verwende?

Ohne Abschottung breiten sich Flammen und Rauch durch Kabeldurchführungen in Wänden und Decken aus - oft schneller als Sie denken. In 37,8 Prozent der geprüften Installationen war die Abschottung unzureichend. Das reduziert die Feuerwiderstandsdauer um bis zu 65 Prozent. In einem Brand kann das den Unterschied zwischen einem kontrollierten Schaden und einem kompletten Verlust bedeuten.

Kann ich Brandschutzschalter (AFDDs) selbst einbauen?

Nein. Die Installation von AFDDs erfordert spezielles Fachwissen und eine Prüfung der vorhandenen Anlage. Seit Januar 2024 ist eine 16-stündige Schulung für Elektrofachkräfte verpflichtend. Selbst wenn Sie technisch begabt sind: Nur ein zugelassener Elektrofachmann darf diese Geräte einbauen und dokumentieren.