Beim Immobilienkauf geht es nicht nur um die Lage, den Preis oder die Ausstattung. Der entscheidende Faktor, der über Jahre hinweg dein Geld, deine Gesundheit und deine Ruhe beeinflusst, sind die Bauschäden. Viele Käufer sehen nur das, was sichtbar ist: frisch gestrichene Wände, neue Fenster, ein gepflegter Garten. Doch hinter der Fassade können sich Schäden verbergen, die erst nach dem Kauf sichtbar werden - und dann teuer werden. Einige Schäden kosten zehntausende Euro, andere beeinträchtigen deine Gesundheit. Die gute Nachricht: Mit dem richtigen Wissen und der richtigen Vorgehensweise kannst du sie fast alle vor dem Kauf entdecken.

Was genau sind Bauschäden - und wie unterscheiden sie sich von Baumängeln?

Bauschäden sind nicht dasselbe wie Baumängel. Baumängel entstehen während der Bauausführung: ein falsch verlegtes Rohr, eine zu dünne Dämmung, eine schlecht verfugte Fassade. Sie sind schon da, wenn das Haus fertig ist. Bauschäden hingegen entwickeln sich erst später. Sie entstehen durch äußere Einflüsse - Feuchtigkeit, Frost, unzureichende Wartung - oder sie wachsen aus ursprünglichen Mängeln heraus. Ein Beispiel: Eine schlecht abgedichtete Dachrinne (Baumangel) führt nach fünf Jahren zu feuchten Außenwänden und schließlich zu Schimmel im Schlafzimmer (Bauschaden). Der Schaden ist also die Folge, nicht die Ursache.

Die häufigsten Schadensbilder sind: Feuchtigkeit und Schimmel, Risse im Mauerwerk oder Putz, Dach- und Fassadenschäden, defekte Installationen (Heizung, Sanitär, Elektro) und energetische Mängel wie Wärmebrücken. Laut dem Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) entstehen 41 Prozent aller Bauschäden durch fehlerhafte Bauausführung, 29 Prozent durch fehlende Instandhaltung. Das bedeutet: Ein Haus, das nie richtig gewartet wurde, ist oft gefährdeter als ein neues mit kleinem Baumangel.

Die fünf größten Warnsignale - und was sie wirklich bedeuten

Beim Besichtigen eines Hauses oder einer Wohnung solltest du nicht nur schauen, sondern systematisch suchen. Beginne unten und arbeite dich nach oben vor: Keller, Erdgeschoss, Obergeschoss, Dach. Hier sind die fünf wichtigsten Warnsignale:

  • Feuchtigkeit und Schimmel: Nicht jeder schwarze Fleck ist Schimmel, aber wenn du feuchte Stellen an Wänden oder Decken siehst - besonders in Ecken, hinter Möbeln oder im Keller - ist Vorsicht geboten. Feuchtigkeit über 70 Prozent Raumluftfeuchte fördert Schimmelwachstum, das Atemwegserkrankungen auslösen kann. Ein einfacher Feuchtigkeitsmesser (ab 120 Euro) zeigt dir den Wert. Wenn er über 60 Prozent anzeigt, ist Alarm angesagt.
  • Risse im Mauerwerk: Nicht jeder Riss ist gefährlich. Dünnere, netzartige Risse im Putz sind oft nur Oberflächenrisse. Aber: vertikale Risse, die vom Boden bis zur Decke laufen, oder diagonale Risse an Ecken von Türen und Fenstern können auf Setzungen oder Tragwerksprobleme hindeuten. Besonders kritisch sind Risse, die die Fugen zwischen Ziegelsteinen oder Betonsteinen nachzeichnen - das deutet auf unterschiedliche Materialausdehnung hin, was bei Mischmauerwerk oft zu strukturellen Problemen führt.
  • Ausblühungen und Abplatzungen: Weiße, salzige Ablagerungen auf Fassaden oder Kellerwänden (Effloreszenz) sind ein Zeichen für aufsteigende Feuchtigkeit. Abplatzender Putz oder Farbe, besonders an der Wand-Decken-Kante, zeigt, dass Wasser unter der Oberfläche arbeitet. Das ist kein kosmetisches Problem - das ist ein Baustein für größere Schäden.
  • Wasserundichtigkeiten an Dachanschlüssen: Dachrinnen, Kamine, Dachfenster, Übergänge zwischen Dach und Wand - das sind die Schwachstellen. Schaue dir diese Stellen genau an: Ist das Dachmaterial brüchig? Gibt es Risse in der Dichtung? Steht Wasser in der Dachrinne? Ein undichtes Dach ist der größte Feind eines Hauses. Feuchtigkeit dringt ein, Holz fault, Dämmung verliert ihre Wirkung - und Schimmel wächst.
  • Abriebspuren an Bodenbelägen: Wenn Fliesen, Laminat oder Parkett an bestimmten Stellen stark abgenutzt sind - besonders in Fluren, Treppen oder vor Türen - kann das auf ungleichmäßige Setzungen hindeuten. Das Haus bewegt sich. Und wenn es sich bewegt, reißen Wände, brechen Rohre, leckt das Dach.

Warum du nie ohne Sachverständigen kaufst - und wie du den Richtigen findest

Ein Laienbesichtigung erkennt durchschnittlich nur 55 Prozent der Schäden. Ein unabhängiger Sachverständiger findet bis zu 68 Prozent mehr. Das ist kein Luxus - das ist Versicherung. Laut einer Studie des BSB e.V. haben 78 Prozent der Käufer, die einen Sachverständigen beauftragt haben, nach dem Kauf keine unerwarteten Schäden. Bei den, die es nicht getan haben, waren es durchschnittlich 3,2 Schäden pro Objekt - mit Kosten von 14.500 Euro.

Doch nicht jeder Gutachter ist gleich. Viele arbeiten mit Bauunternehmen zusammen - und geben dann sanfte Gutachten. Der Verband Deutscher Sachverständiger und Fachgutachter (VDS) hat strenge Unabhängigkeitsregeln. Suche nach einem Gutachter, der VDS 2300-zertifiziert ist. 87 Prozent der registrierten Gutachter halten sich daran. Prüfe auch die Bewertungen: Auf Google haben Bausachverständige im Durchschnitt 4,2 von 5 Sternen. Lies die positiven Bewertungen - sie loben oft Detailgenauigkeit und klare Erklärungen. Und vermeide Gutachter, die dir sofort einen Sanierungsauftrag verkaufen wollen. Ein guter Gutachter sagt dir: „Das ist kein Problem.“ - und meint es.

Die Kosten für eine Grundbegutachtung liegen zwischen 300 und 800 Euro. Für ein größeres Haus oder bei Verdacht auf größere Schäden kannst du mit 650 bis 1.200 Euro rechnen. Das ist ein kleiner Preis im Vergleich zu den möglichen Schadenskosten. Und: Die Kosten kannst du in den Kaufvertrag einbeziehen. Wenn der Gutachter Schäden findet, verhandelst du den Preis neu - oder du sagst nein.

Altes Haus mit senkrechten Rissen in der Fassade und ausblühenden Salzablagerungen.

Was du vor der Besichtigung unbedingt prüfen musst - und warum

Ein Gutachter braucht mehr als deine Augen. Er braucht Dokumente. Ohne sie ist jede Besichtigung blind. Frag nach:

  • Exposé mit Grundrissen und Fotos: Vergleiche die tatsächliche Aufteilung mit dem, was im Vertrag steht. Oft werden Räume falsch benannt oder Flächen übertrieben.
  • Energieausweis: Er zeigt dir die Dämmqualität. Ein schlechter Wert (z. B. Endenergiebedarf über 150 kWh/m²a) deutet auf Wärmebrücken und hohe Heizkosten hin. Der Energieausweis ist nicht nur Pflicht - er ist ein Schadensindikator.
  • Baubeschreibung und Baupläne: Sie zeigen, wie das Haus wirklich gebaut wurde. Hat man nachträglich Dämmung eingebaut? Sind tragende Wände verändert worden? Das sind oft die Ursachen für Risse und Setzungen.
  • Rechnungen zu früheren Sanierungen: Hat jemand vor fünf Jahren das Dach erneuert? Dann frage: Wer hat es gemacht? Gibt es Garantiepapiere? Ein schlecht ausgeführtes Dach ist ein Zeitbombe.
  • Grundbuch- und Flurkartenauszug: Hier siehst du, ob das Haus rechtlich sauber ist. Gibt es Lasten, Nießbrauchrechte oder Baurechte, die du nicht kennst? Ein sauberer Grundbucheintrag ist die Grundvoraussetzung für jeden Kauf.

Wenn der Verkäufer diese Unterlagen nicht bereitstellt - sei vorsichtig. Er versteckt etwas. Oder er weiß es selbst nicht. Beides ist ein Warnsignal.

Was du mit einfachen Werkzeugen selbst prüfen kannst

Du musst nicht alles dem Gutachter überlassen. Mit ein paar günstigen Werkzeugen kannst du selbst erste Hinweise sammeln:

  • Feuchtigkeitsmesser: Für unter 150 Euro kannst du ein Gerät kaufen, das dir den Feuchtigkeitsgehalt von Putz, Holz oder Ziegel misst. Mess an Wänden, besonders in Ecken, hinter Schränken, im Keller. Werte über 60 Prozent sind kritisch.
  • Rissmessschieber: Ein einfaches Gerät (ab 25 Euro) misst die Breite von Rissen. Risse über 2 Millimeter sind ein Zeichen für strukturelle Probleme. Risse unter 0,5 Millimeter sind meist harmlos.
  • Infrarot-Thermometer: Zeigt dir Temperaturunterschiede an Wänden. Kältestellen sind oft Wärmebrücken. Wenn eine Wand im Winter kälter ist als die anderen, ist dort Dämmung fehlerhaft oder fehlt ganz.
  • Handy-Kamera mit Blitz: Schieße Fotos von Wänden und Decken mit aktiviertem Blitz. So werden kleine Risse, Abplatzungen und Feuchtigkeitsflecken sichtbar, die im normalen Licht verborgen bleiben.

Ein Tipp: Mache ein kleines Gipshaufen auf jeden Riss - wie von Architekten empfohlen. Wenn es nach einigen Wochen gerissen ist, hat sich der Riss weiter ausgebreitet. Das ist ein klarer Hinweis auf aktive Bewegung im Gebäude.

Ein Käufer misst mit einem Rissmessschieber eine Wandrisse, Thermometer zeigt Temperaturunterschiede.

Was du nach der Besichtigung tun musst - und wie du verhandelst

Wenn der Gutachter Schäden findet, ist das kein Grund, den Kauf abzusagen. Es ist ein Grund, zu verhandeln. Die meisten Verkäufer sind bereit, den Preis zu senken - besonders wenn du Kostenvoranschläge vorlegst. Ein Gutachter kann dir auch sagen, ob ein Schaden behebbar ist oder ob er die Lebensdauer des Gebäudes verkürzt. Nicht behebbare Schäden - wie massive Setzungen oder verrottete Holztragwerke - senken den Wert deutlich.

Die Berechnung der Wertminderung erfolgt nach der Bauteiletabelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte. Sie sagt: Ein undichtes Dach mindert den Wert um 10-15 Prozent. Ein Schimmelbefall im Schlafzimmer um 5-8 Prozent. Ein fehlerhafter Keller um 12-20 Prozent. Das ist kein Schätzwert - das ist eine anerkannte Methode.

Wenn der Verkäufer nicht einlenkt, entscheide dich: Willst du das Haus mit den Schäden kaufen - oder nicht? Manche Käufer kaufen bewusst saniertes, aber preisgünstiges Eigentum und sanieren selbst. Das kann profitabel sein - wenn du weißt, was du tust.

Die Zukunft: Digitalisierung und steigende Risiken

Die Branche verändert sich. Digitale Tools - wie 3D-Dokumentation und digitale Schadenskartierung - werden immer wichtiger. Bis 2030 prognostizieren Experten eine Zunahme von Schimmelproblemen um 25 Prozent - vor allem durch falsche Sanierungen mit Dämmung, die die Luftzirkulation behindern. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein: Der Markt für Bauschadengutachten wächst jährlich um 5,2 Prozent. Die gute Nachricht: Je mehr Leute sich informieren, desto weniger Schäden gibt es. Denn Schäden entstehen oft aus Unwissenheit. Und Wissen ist deine beste Waffe.