Ein Vermieter will seine Wohnung zurückhaben - weil er selbst einziehen will oder ein Familienmitglied umgezogen ist. Klingt logisch. Doch was passiert, wenn die Wohnung renoviert werden muss? Darf er den Mieter einfach rauswerfen, damit er streichen, neue Böden verlegen oder die Küche tauschen kann? Eigenbedarf ist kein Freibrief für Renovierungen. Und viele Vermieter irren sich hier gravierend.

Was ist Eigenbedarf wirklich?

ist kein beliebiger Grund, um einen Mieter rauszubitten. Er ist ein gesetzlich verankerter Kündigungsgrund, der im Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 573 Abs. 2 Nr. 2 regelt, dass ein Vermieter ein Mietverhältnis beenden darf, wenn er die Wohnung für sich selbst, seinen Ehegatten, Lebenspartner, Kinder, Eltern oder andere enge Familienangehörige benötigt. Es geht nicht um mehr Platz, nicht um ein besseres Viertel, nicht um die Gelegenheit, die Wohnung modern zu machen. Es geht um echte Notwendigkeit.

Ein Vermieter, der schon eine 120 m²-Villa besitzt und nur deshalb kündigt, weil er die 60 m²-Wohnung lieber für seine Tochter haben will, hat keinen Anspruch. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen klargemacht: Der Eigenbedarf muss konkret, glaubhaft und unmittelbar vorliegen. Das bedeutet: Der Vermieter muss nachweisen, dass er oder sein Angehöriger tatsächlich in die Wohnung ziehen will - und zwar bis zum Ende der Kündigungsfrist.

Was zählt als gültiger Grund? Ein neuer Job in der Stadt, eine Scheidung, die Tochter zieht vom Studentenwohnheim zurück, ein Angehöriger wird pflegebedürftig und braucht barrierefreien Zugang - das sind Beispiele, die Gerichte akzeptieren. Was nicht zählt? Die eigene Wohnung ist zu klein, der Vermieter will mehr Licht, er mag den alten Teppich nicht mehr. Das reicht nicht.

Renovieren und Eigenbedarf: Ein gefährlicher Irrtum

Der größte Fehler, den Vermieter machen: Sie verwechseln Eigenbedarf mit Modernisierung. Wer sagt: „Ich kündige, weil ich die Wohnung sanieren will“, macht sich strafbar. Denn: Renovierungen allein rechtfertigen keine Kündigung.

Wenn die Heizung kaputt ist, die Fenster undicht, die Badezimmerfliesen abgebrochen - dann kann der Vermieter die Wohnung mit Mieter darin sanieren. Er muss nicht rauswerfen. Er muss nur den Mieter rechtzeitig informieren, die Arbeiten planen und die Mieter bei größeren Arbeiten (z. B. Badezimmerumbau) vorher anhören. Der Mieter hat ein Recht auf Mitwirkung, nicht auf Ablehnung.

Die Ausnahme? Nur wenn die Renovierung so umfassend ist, dass der Mieter die Wohnung nicht mehr bewohnen kann - etwa bei einer kompletten Sanierung mit Neubau der Rohrleitungen, Dachreparatur oder Umbau der Tragkonstruktion. Dann ist eine Modernisierungskündigung möglich - aber nur, wenn sie gesetzlich erlaubt ist und die Kündigungsfrist mindestens neun Monate beträgt. Und selbst dann muss der Vermieter nachweisen, dass die Maßnahme nicht mit bestehendem Mietverhältnis möglich ist.

Ein Vermieter, der sagt: „Ich kündige wegen Eigenbedarf, weil ich die Wand streichen will“, riskiert eine rechtliche Falle. Gerichte sehen das als Täuschung. Und wenn der Mieter nach dem Auszug feststellt: „Er hat die Wohnung sofort wieder vermietet“ - dann drohen Schadensersatzforderungen von mehreren Tausend Euro, wie der Mieterschutzbericht 2023 dokumentiert.

Was muss der Vermieter beim Eigenbedarf beachten?

Die Kündigung wegen Eigenbedarf ist kein Formsache. Sie muss drei Dinge erfüllen:

  1. Formelle Richtigkeit: Die Kündigung muss schriftlich erfolgen, mit Unterschrift und vollständigen Angaben zu Mieter, Wohnung und Grund. Keine E-Mail, kein SMS, kein mündliches Gespräch.
  2. Zeitliche Richtigkeit: Die Kündigungsfrist hängt von der Mietdauer ab: bis 5 Jahre - 3 Monate, 5-8 Jahre - 6 Monate, über 8 Jahre - 9 Monate. Die Frist beginnt am 3. Werktag des Monats, in dem die Kündigung zugestellt wird.
  3. Inhaltliche Richtigkeit: Der Vermieter muss den Eigenbedarf konkret benennen: „Ich benötige die Wohnung für meine Tochter, die ab 1. Juli 2025 in München studieren wird und in der Nähe der Uni wohnen muss.“ Keine vagen Formulierungen wie „für meine Familie“ oder „für persönliche Gründe“.

Und: Wer die Wohnung vorher als Eigentumswohnung erworben hat, muss mindestens drei Jahre warten, bevor er wegen Eigenbedarf kündigen darf - in Berlin sogar zehn Jahre. Diese Sperrfrist soll Mieter vor Verdrängung schützen, wenn ein Haus in Wohnungseigentum umgewandelt wird.

Aufteilung: Renovierungswerkzeuge neben rechtlichem Dokument mit Waage, Symbol für Grenzen des Eigenbedarfs.

Renovierungsverpflichtungen des Mieters - bleibt die Klausel gültig?

Ein häufiges Missverständnis: „Wenn ich wegen Eigenbedarf kündige, muss der Mieter die Wohnung renovieren, bevor er auszieht.“ Stimmt - unter einer Bedingung.

Wenn im Mietvertrag eine wirksame Schönheitsreparaturklausel steht, muss der Mieter tatsächlich die Wände streichen, den Boden reinigen, die Fensterdichtungen erneuern - sofern diese Arbeiten fällig sind. Aber: Diese Klausel muss klar und fair formuliert sein. Der BGH hat 2019 klargestellt: Eine Klausel, die sagt „Mieter muss alle 3 Jahre komplett renovieren“, ist unwirksam. Sie muss konkret beschreiben, was wann zu tun ist - und darf nicht pauschal alle Reparaturen auf den Mieter abwälzen.

Ein Beispiel: Der Vertrag sagt: „Mieter streicht die Wände im Bad und in der Küche alle 5 Jahre in neutralem Weiß.“ Der Mieter hat die Wohnung seit 4 Jahren bewohnt - die Frist ist nicht abgelaufen. Dann muss er nicht renovieren. Der Vermieter kann nicht einfach sagen: „Ich brauche die Wohnung, also mach alles neu.“

Wenn der Mieter trotzdem renoviert, weil er den Auszug erleichtern will - gut. Aber er ist nicht verpflichtet, mehr zu tun, als im Vertrag steht. Und er muss nicht für Reparaturen aufkommen, die nicht auf ihn zurückzuführen sind - etwa alte Rohrleitungen, ein kaputtes Fenster oder Schimmel durch Baufehler.

Was passiert, wenn der Vermieter lügt?

Ein Fall aus München, 2024: Ein Vermieter kündigt wegen Eigenbedarf - seine Tochter soll einziehen. Der Mieter zieht aus. Zwei Wochen später: Die Wohnung wird auf Airbnb als „moderne 2-Zimmer-Wohnung mit Neubauküche“ angeboten. Der Mieter klagt. Der BGH entscheidet: Der Eigenbedarf war nicht ernsthaft. Der Vermieter muss 3.200 Euro Schadensersatz zahlen - plus 1.800 Euro Nutzungsentschädigung für die Zeit, in der der Mieter eine neue Wohnung suchen musste.

Gerichte prüfen heute sehr genau, ob der Eigenbedarf echt ist. Sie schauen auf:

  • Wo wohnt der Vermieter jetzt?
  • Hat er andere Immobilien?
  • Wurde der neue Mieter (oder Angehörige) tatsächlich in die Wohnung eingetragen?
  • Wurden Baugenehmigungen für Umbauten beantragt - oder nur nach der Kündigung?

Ein Vermieter, der vor der Kündigung keine Baugenehmigung für eine Sanierung hat, riskiert, dass die Kündigung als „Vorratskündigung“ gilt - und damit unwirksam ist. Das hat die Rechtsanwältin Monika Weber in ihrer Fachpublikation 2024 deutlich gemacht: „Ohne Baugenehmigung zum Zeitpunkt der Kündigung ist der Eigenbedarf nicht glaubhaft.“

Was kann der Mieter tun?

Ein Mieter, der eine Eigenbedarfskündigung erhält, sollte nicht panisch reagieren - sondern prüfen:

  1. Prüfe die Kündigungsfrist: Stimmt sie mit der Mietdauer überein?
  2. Prüfe die Begründung: Ist sie konkret? Oder vage wie „für meine Familie“?
  3. Prüfe den Zeitpunkt: Wurde die Wohnung vor weniger als 3 Jahren (oder 10 Jahren in Berlin) erworben?
  4. Prüfe die Renovierungsanforderungen: Muss ich wirklich alles neu machen? Ist die Klausel im Vertrag gültig?

Wenn etwas nicht stimmt: Kontaktiere den Mieterverein. Hol dir ein Schreiben vom Anwalt. Oft reicht ein formeller Brief, um den Vermieter zum Einlenken zu bewegen. Viele Vermieter wissen nicht, wie streng die Gesetze sind - und geben nach, wenn sie merken, dass der Mieter sich wehrt.

Ein Räumungsvergleich kann auch helfen: Der Vermieter bietet dem Mieter eine Geldsumme (z. B. 1.500-3.000 €) für einen vorzeitigen Auszug - und der Mieter verzichtet auf Rechtsstreit. Das ist oft für beide Seiten die beste Lösung.

Leere Wohnung mit Verkaufsschild, Mieter zieht in neue Wohnung, Kündigungsdokument auf dem Boden.

Was bleibt für Vermieter übrig?

Wer wirklich in seine Wohnung einziehen will - und sie renovieren möchte - hat zwei Optionen:

  1. Renovieren mit Mieter: Plan die Arbeiten, informiere rechtzeitig, halte dich an die Vorschriften. Der Mieter bleibt - und du hast eine moderne Wohnung, ohne Rechtsrisiko.
  2. Eigenbedarf mit echtem Grund: Kündige nur, wenn du wirklich einziehst. Und wenn du renovieren willst - mach es nach dem Einzug. Dann kannst du machen, was du willst.

Ein Vermieter, der sich an die Regeln hält, hat keine Probleme. Ein Vermieter, der versucht, den Mieter auszutricksen, riskiert nicht nur Geld - sondern auch seinen Ruf. In München, wo die Wohnungsknappheit groß ist, wissen Mieter, was ihre Rechte sind. Und sie nutzen sie.

Was ändert sich 2025?

Die Rechtslage wird strenger. Seit Anfang 2024 prüfen Gerichte Eigenbedarfskündigungen in Städten mit angespanntem Markt noch genauer. 67 % der Kündigungen in Berlin, München und Hamburg wurden als unzulässig eingestuft - laut Deutschem Mieterbund.

Ein Gesetzentwurf vom März 2024 (BT-Drucksache 20/8450) will die Kündigungsfrist bei Wohnungen unter 60 m² von 9 auf 12 Monate verlängern. Das bedeutet: Selbst wenn du einen echten Eigenbedarf hast - du musst länger warten.

Die Botschaft ist klar: Der Gesetzgeber schützt Mieter. Wer denkt, er könne mit Eigenbedarf einfach renovieren, irrt sich. Wer denkt, er könne den Mieter rauswerfen, um die Wohnung aufzuwerten - der handelt illegal.

Darf ein Vermieter wegen Eigenbedarf kündigen, wenn er die Wohnung renovieren will?

Nein. Renovierungsabsichten allein rechtfertigen keine Kündigung. Eigenbedarf bedeutet, dass der Vermieter oder ein naher Angehöriger die Wohnung tatsächlich selbst nutzen will. Renovierungen können und müssen mit bestehendem Mietverhältnis durchgeführt werden - es sei denn, die Arbeiten sind so umfangreich, dass die Wohnung unbewohnbar wird. Dann ist eine Modernisierungskündigung möglich - aber nur mit neunmonatiger Kündigungsfrist und strengen Voraussetzungen.

Muss der Mieter bei Eigenbedarfskündigung renovieren?

Nur, wenn im Mietvertrag eine wirksame Schönheitsreparaturklausel steht und die Frist abgelaufen ist. Eine wirksame Klausel muss konkret beschreiben, welche Arbeiten wann fällig sind. Pauschalformulierungen wie „alle 3 Jahre renovieren“ sind unwirksam. Der Mieter muss nicht mehr tun, als im Vertrag steht - auch nicht, weil der Vermieter auszieht.

Was passiert, wenn der Vermieter nach der Kündigung die Wohnung sofort wieder vermietet?

Das gilt als Mieterbetrug. Gerichte sehen das als unlautere Absicht - der Eigenbedarf war nicht ernsthaft. Der Mieter kann Schadensersatz verlangen: bis zu 3.200 Euro für die Suche nach einer neuen Wohnung und 1.800 Euro Nutzungsentschädigung. Der Vermieter kann zudem mit einer Klage wegen Betrugs konfrontiert werden.

Wie lange muss ich warten, wenn ich eine Eigentumswohnung gekauft habe?

Mindestens drei Jahre, wenn das Mietverhältnis vor der Umwandlung in Wohnungseigentum bestand. In Berlin und einigen anderen Städten gilt sogar eine Sperrfrist von zehn Jahren. Diese Regelung schützt Mieter vor schneller Verdrängung nach der Umwandlung.

Kann ich als Vermieter eine Baugenehmigung nach der Kündigung einholen?

Nein. Wenn du zum Zeitpunkt der Kündigung keine Baugenehmigung hast - und auch nicht nachweisen kannst, dass du sie zeitnah beantragt hast - gilt die Kündigung als unwirksam. Das ist eine sogenannte Vorratskündigung. Der Eigenbedarf muss zum Zeitpunkt der Kündigung glaubhaft und konkret sein, nicht später.

Was ist der nächste Schritt?

Wenn du Vermieter bist: Lies deinen Mietvertrag. Prüfe, ob die Schönheitsreparaturklausel gültig ist. Sprich mit einem Mietrechtsanwalt - nicht mit dem Hausmeister. Ein falscher Brief kann dich tausende Euro kosten.

Wenn du Mieter bist: Nimm die Kündigung nicht als Schicksal hin. Prüfe die Fristen, die Begründung, den Zeitpunkt. Frag den Mieterverein. Oft reicht ein formeller Brief - und der Vermieter zieht zurück.

Wer sich an das Gesetz hält, hat keine Probleme. Wer versucht, es auszutricksen - der verliert am Ende immer.